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Sprache, Zunge, Geschmack – Polnisch lernen mit Bigos und Barszcz

Im Polnischen heißt Sprache „język“ (wie im Lateinischen die lingua) zugleich Zunge. Wer also die polnische Sprache trainiert, muss zugleich die Zunge schulen. Und die dient nicht nur der Artikulation von Lauten, sondern auch dem Schmecken. Darum geht es hier um beides – um das Sprechen und das Schmecken, und zwar um die Namen polnischer Gerichte.



Bigos – das polnische Nationalgericht mit deutscher Wurzel

Alle kennen Bigos. Es ist eines der typischsten polnischen Gerichte: gekochter Kohl mit Fleisch oder, in der vegetarischen Version, mit Pilzen. Verwunderlich ist, dass das Wort nicht slawischen Ursprungs ist. Es stammt aus dem Deutschen – genauer gesagt aus dem Germanischen. Das Wort „beigossen“ war im 17. Jahrhundert gebräuchlich und ist mit dem älteren Begriff „Beiguss“ (Soße) verbunden.

Bigos ist sehr lecker, wird aber in Metaphern oft in nicht allzu positiver Bedeutung verwendet:

  • „Mieć bigos w głowie“ – „Bigos im Kopf haben“ bedeutet, nicht der Klügste zu sein.
  • „Narobić sobie bigosu“ – „Sich Bigos einbrocken“ heißt, sich selbst Probleme einzuhandeln.

Vielleicht liegt das daran, dass im Bigos viele Zutaten miteinander vermischt sind – ein Symbol für köstliches, aber chaotisches Durcheinander.



Barszcz – die Suppe in den Farben Polens

Wenn ich die polnischste aller Suppen nennen sollte, wäre es ohne Zweifel der Barszcz. Schon alleine deshalb, weil es ihn in zwei Farben gibt – weiß und rot, den polnischen Nationalfarben.

Barszcz biały ist eine Sauerteigsuppe, oft mit Wurststücken und gekochtem Ei, serviert im oder mit Brot. Barszcz czerwony wird aus Roter Beete gekocht und mit kleinen Pierogi (uszka), Bohnen oder Kartoffeln serviert – oder pur, zum Trinken.

Der Name barszcz stammt aus der urindoeuropäischen Sprache, wo er „etwas Scharfes“ bedeutete. Später bezeichnete er Rüben, und noch später eine saure Suppe. Der erste Schritt bei der Zubereitung ist immer die Fermentation – beim weißen Barszcz die des Sauerteigs, beim roten Barszcz die der Roten Beete.

Umso interessanter ist die Redewendung „tani jak barszcz“ – „billig wie Barszcz“ –, obwohl die Zubereitung gar nicht so einfach ist.



Chleb – mehr als nur Brot

Chleb (Brot) – die wichtigste Nahrung, die Grundlage. Doch die alten Slawen kannten Brot angeblich nicht; sie aßen geröstetes Getreide. Sie übernahmen es von ihren westlichen Nachbarn – samt dem Namen: „hlaiba“, der heutigen „Laib“.

Brot ist in Polen tief in heidnischen und christlichen Bräuchen verwurzelt und erscheint in zahlreichen Sprichwörtern und Redewendungen:

  • „Łamiemy się chlebem“ – Wir teilen das Brot (Zeichen der Gemeinschaft).
  • „Witamy chlebem i solą“ – Wir begrüßen mit Brot und Salz.
  • „Żyć o chlebie i wodzie“ – Von Brot und Wasser leben – also nur das Nötigste haben.
  • „Pracować na chleb“ – Für Brot arbeiten.
  • „Ciężki kawałek chleba“ – Ein schwer verdientes Stück Brot.
  • „Nie z jednego pieca chleb się jadło“ – Man hat aus vielen Öfen Brot gegessen – also viel erlebt.
  • „Nie samym chlebem człowiek żyje“ – Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.

Kaum ein anderes Lebensmittel ist im Polnischen so reich an Bedeutung und Symbolik wie Brot – Ausdruck von Arbeit, Leben, Gemeinschaft und Glauben.

Beim Schreiben dieses Beitrags habe ich das Buch „Jeść!“ von Jerzy Bralczyk, Bosz, 2021, verwendet.

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